Zu der Schmerztheorie gehört die Bewegungstheorie
Schmerztheorie gerät so in Abhängigkeit zu der Bewegungstheorie des Körpers. Damit Schmerz verstanden und therapiert werden kann, müssen zuerst die bewegungstheoretischen Eigenschaften des biologischen Körpers verstanden sein.
Die mechanischen Funktionen des Körpers werden mit den Mitteln der Kinematik, der Mathematik der bewegten Körper beschrieben. Die regulativen Funktionen des Bewusstseins werden mit den Mitteln der Kybernetik, der Mathematik der Logik beschrieben. Unter Zuhilfenahme von Kinematik und Kybernetik können die Gesetze des Schmerzes beschrieben werden.
Bewegungsgesetze werden allgemein mit den mathematischen Mitteln der Kinematik beschrieben. Normalerweise bezieht sich diese allerdings auf unbelebte technische Belange. Wie wird ein Fahrrad konstruiert und wie ein Flugzeug. Die biologischen Körper unterscheiden sich jedoch in einigen prinzipiellen Dingen von den technischen Maschinen, die der Mensch entwickelt hat. Der wichtigste Unterschied besteht darin, dass technische Apparate aus toter Materie, die sich nicht regenerieren kann, besteht während lebendige Körper sich selbst permanent erneuern können. Den Begriff des Verschleißes auf beide Systeme anzuwenden, ist von daher gesehen unsinnig.
Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass Kreisbewegungen in der Natur nicht existieren können, da sie energetisch unstabil sind. Die menschliche Technik basiert jedoch in großer Masse auf der Kreismechanik. Die Erfindung des Rades gilt als eine der großen Errungenschaften des Menschen. Biologisch betrachtet ist das Rad ein Unsinn, da die Kreisbewegung nur unter permanenter externer Energiezufuhr bestehen kann.
Biologische Technik und synthetische Technik sind also nicht ohne weiteres miteinander vereinbar. Wenn Ausdrücke und Vorstellungen, die aus der synthetischen Technik entstammen, auf die biologische Technik übertragen werden, dann kommt es zwangsläufig zu Fehlurteilen (z.B. Verschleiß).
Um die Bewegungsvorgänge des menschlichen Körpers verstehen zu können, sind die Gesetze der Biologie zu berücksichtigen und in die bekannten Gesetze der Kinematik einzuarbeiten. Der Mensch untersteht den Gesetzen der Biokinematik und nicht nur der Kinematik.
Grundlagen der Bewegungstheorie
Ungeachtet der Unterschiede zwischen Technik und Biologie besteht eine jedwede Bewegung aus drei Komponenten, die für sich zu betrachten sind: dem Bewegungsumfang (Amplitude), der Bewegungskraft {Kraft), sowie der Bewegungsbahn (Geometrie).
Voraussetzung für eine Bewegung ist eine Kraft. Ob jedoch eine Bewegung mit viel Kraft oder mit wenig Kraft durchgeführt wird, hat auf den Ablauf einer Bewegung keinen weiteren Einfluss. Wenn einem Fahrradreifen ein Stoß gegeben wird, dann wird das Rad drehen. Wenn einem Stein ein Stoß gegeben
wird, dann wird dieser wegfliegen. In welche Bewegung ein Kraftimpuls umgesetzt wird, hängt von den geometrischen Eigenschaften des bewegten Körpers ab. Ein Rad dreht, ein Stein fliegt.
Im menschlichen Körper ist dies auch nicht anders. Ob mit viel Kraft oder mit wenig Kraft ein Arm gehoben wird, ist für den Bewegungsablauf des Armes unerheblich. Die Bahn, auf welcher der Arm bewegt, hängt von den inneren geometrischen Strukturen des Armes ab. Sind in diesen Strukturen Veränderungen eingetreten, dann wird sich deren Bewegungsbahn ändern und unabhängig von der Kraft zu Störungen führen. Genau diese Störungen werden dann als das wahrgenommen, was als Schmerz bezeichnet wird. Ein Krafttraining hat im Sinne der Schmerztherapie somit keinen Effekt, sofern dadurch nicht die geometrisch relevanten Strukturen korrigiert werden. Spezifische Schmerztherapie besteht in einer Wiederherstellung der Geometrie des Körpers und nicht der Kraft.
Wenn bei einem Fahrrad die Kette heruntergesprungen ist, dann ist dessen Funktion gestört (krank), die Struktur gleichwohl in Ordnung. Was beim Fahrrad die heruntergesprungene Kette ist, das ist beim Menschen der Schmerz. Schmerztherapie besteht im Wiedereinlegen der Kette.
Die Bahn eines Fahrradreifens ist der Kreis. Die Bahnen biologischer Bewegungen (projektiv veränderliche Kegelschnitte} sind wesentlich komplizierter und trotzdem mathematisch genau so eindeutig definiert, wie die Kreisbewegung eines Fahrradreifens. Wenn der Fahrradreifen einen "Achter" hat, ist dessen Bahn gestört. Wenn eine körperliche Bewegung in ihrem Ablauf eine Abweichung erfährt, dann wird dies als Schmerz registriert.
Alles, was im Stande ist, im biologischen Körper die Bewegungsbahnen zu stören, wirkt als Schmerzursache.
Die Kraft ist für die Schmerzentstehung unerheblich. Ob ein Arm mit viel Kraft oder mit wenig Kraft bewegt wird, ist für dessen Bewegungsbahn ohne Einfluss. Ob ein Fahrradreifen mit viel Kraft oder wenig Kraft gedreht wird, die Bewegung bleibt trotzdem ein Kreis. Eine Therapie, die auf die Bereitstellung von Kraft aufbaut, hat deswegen auf das Schmerzgeschehen keinen Einfluss (Kräftigungstherapie, medizinische Trainingstherapie}.
Der Schmerz selbst ist Resultat der gestörten Bahn, nicht der unzureichenden Kraft. Die Schmerztherapie besteht in der Korrektur dieser Bahn, nicht in der Vermehrung der Kraft.
Der Bewegungsumfang ist für die Schmerzentstehung ebenfalls unerheblich. Ob ein Arm in vollem Umfang bewegt werden kann oder nur bis zur Hälfte des biologisch möglichen, spielt keine Rolle. Ob ein Fahrradreifen vollständig im Kreis gedreht wird oder nur eine halbe Umdrehung durchgeführt wird, ist solange unerheblich, wie die Teildrehung als Kreissegment und nicht als "Achter" durchführbar ist. Derjenige Abschnitt, der bewegt werden kann, muss geometrisch ungestört bewegt werden können. Eine Erhöhung des Bewegungsumfanges hat auf den geometrischen Ablauf keinen Einfluss. Eine Schmerztherapie, die lediglich die Vergrößerung des Bewegungsumfanges zum Ziel hat, hat auf das Schmerzgeschehen keinen Einfluss (Dehnungsbehandlung, Stretching).
Der Schmerz ist Resultat der gestörten Bahn nicht des verminderten Bewegungsumfanges.
Bauteile der Biokinematik
Zum funktionellen Bewegungsapparat gehören Knochen mit Gelenkoberflächen, Gelenkbänder und Muskeln. Aus diesen Bauteilen besteht der mechanische Apparat des Körpers (Kinematik des Bewegungsapparates).
Zu einer vollständigen Bewegungseinheit werden mindestens zwei Knochen, ein Gelenkband und zwei Muskeln benötigt. Damit ist die Mechanik hinreichend festgelegt.
Alle weiteren Bewegungseinheiten im Körper sind einander dergestalt angepasst, dass jede einzelne Bewegung zu sämtlichen anderen Bewegungen geometrisch eindeutig zusammenpasst. Dies wird im biologischen Körper
dadurch erreicht, dass alle Teile ab einer bestimmten Embryonalphase in gegenseitiger Anpassung gemeinsam heranwachsen.
Der einzig variable Teil im System ist der Muskel. Indem er sich verkürzt, verändert er seine geometrische Form und erzeugt Kraft und Bewegung. Er arbeitet. Wer arbeitet kann Fehler machen .
Knochen und Bänder arbeiten nicht. Sie sind immer gleich. Sie übernehmen Kraft (Druck- und Zugkraft), aber sie bewegen nicht und verrichten damit keine Arbeit. Als Ursache für geometrische Störungen scheiden sie unter physiologischen Bedingungen aus.
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